Die Chartanalyse, auch technische Analyse genannt, ist ein nützliches Werkzeug für die Analyse der Finanzmärkte. Sie wird von Anfängern bis hin zu professionellen Tradern genutzt, um Entscheidungen für den Handel mit Aktien, Rohstoffen, Währungen, Kryptowährungen und anderen Anlageklassen sowie Anlageinstrumenten zu treffen. Charts sind grafische Darstellungen von Preisverläufen. Hierfür gibt es unterschiedliche Darstellungsmethoden, zum Beispiel Liniencharts oder Candlestick Charts. Die japanischen Candlestick Charts, auch Kerzencharts genannt, verdienen ganz besondere Aufmerksamkeit: Sie sind sämtlichen anderen Darstellungsformen weit überlegen, erlauben aussagekräftigere Analysen und senden beispielsweise im Vergleich zum Linienchart zusätzliche und frühere Signale.
In der folgenden kleinen Beitragsreihe von voraussichtlich vier Beiträgen stelle ich dar, wie sich Kerzencharts analysieren lassen. Aus einer schwer überschaubaren Fülle von Mustern und Signalen suche ich diejenigen heraus, die besonders häufig auftreten und eine hohe Aussagekraft besitzen. Am Ende soll diese Beitragsreihe über einen Einstieg in die Chartanalyse hinausgehen – sie soll Sie befähigen, eigenständig Charts zu analysieren, etwas Übung und Erfahrung selbstverständlich vorausgesetzt.
Japanische Candlesticks im Vergleich zu Liniencharts
In meinen wöchentlichen Marktanalysen verwende ich stets Candlestick Charts. Kerzencharts haben gegenüber sog. Liniencharts ganz erhebliche Vorteile: Während sich Liniencharts lediglich aus den Schlusskursen eines bestimmten Handelszeitraums (z. B. eines Handelstages) zusammensetzten, zeigen Candlestick Charts wichtige Parameter dieses Zeitraums an: den Eröffnungskurs, den Schlusskurs, das (Tages-)Hoch und das Tief. Für die Chartanalyse ist das ausgesprochen hilfreich.
Die Aussagekraft der Chartanalyse
Zu der sich aufdrängenden Ausgangsfrage, inwieweit die Chartanalyse überhaupt nützlich und aussagekräftig ist, sei an dieser Stelle kurz Folgendes angemerkt:
Charts zeigen Kursverläufe der Vergangenheit an. Viele Jahre lang war ich Verfechter der Fundamentalanalyse und habe die Aussagekraft der Chartanalyse bezweifelt, die ja Vorhersagen für künftige Kursverläufe treffen soll. Doch ist das überhaupt möglich?
Tatsächlich bewegen sich Kursverläufe nicht chaotisch, sondern in Mustern. Auch Trendbrüche geschehen nicht rein zufällig und plötzlich, sondern kündigen sich an. Wer diese Muster und die Signale für Trendbrüche erkennt und beachtet, erhöht die Wahrscheinlichkeit, mit seinem Investment oder seinem Trade profitabel zu sein.
Beim Wertpapierhandel geht es nicht darum, immer richtig zu liegen. Das ist unmöglich. Es ist jedoch das Ziel eines Anlegers und eines Traders, öfter richtig als falsch zu liegen und dabei höhere Gewinne als Verluste einzufahren. Die Aufgabe besteht also darin, mit der überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu handeln und nicht gegen sie. Dabei hilft die Chartanalyse und zwar unabhängig davon, wie sie funktioniert, ob aus der Vergangenheit tatsächlich auf die Zukunft geschlossen werden kann – oder ob viele Millionen Wertpapierhändler auf die Charts achten und aus diesem Umstand eine selbsterfüllende Prophezeiung erwächst.
Der Weg zum Erfolg führt meines Erachtens über eine Kombination von Fundamental- und Chartanalyse. Stimmen z. B. die fundamentalen Kennzahlen eines Unternehmens und spiegelt sich das im Chart wider, dann besteht eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für einen profitablen Trade oder ein renditestarkes Investment.
Der Aufbau der Candlestick Charts
Fangen wir also mit den Grundlagen an:
Die folgende Abbildung zeigt den Aufbau der Kerzen. Grüne Kerzen stellen steigende Kurse für den jeweiligen Handelszeitraum dar, rote Kerze stehen für fallende Kurse. In Schwarz-Weiß-Darstellungen sind es weiße Kerzen, mit denen steigende Kurse und schwarze Kerzen, mit denen fallende Kurse angezeigt werden. Die Körper bilden den Eröffnungs- und den Schlusskurs ab, die Schatten markieren das Hoch und das Tief. Ein Doji ist eine Kerze ohne Körper oder mit sehr kleinem Körper. Ein Gap ist eine Lücke zwischen den Hoch- und Tiefstkursen aufeinander folgender Handelszeiträume.
Im Folgenden wird derselbe Kursverlauf für denselben Zeitraum vergleichsweise mit einem Linienchart und einem Kerzenchart dargestellt. Der zugrunde liegende Handelszeitraum ist ein Tag: Der Linienchart verbindet die Schlusskurse der jeweiligen Handelstage, der Kerzenchart zeichnet pro Handelstag eine Kerze. Im Übrigen können neben einem Tag nahezu sämtliche Zeiträume mit Kerzen abgebildet werden. Üblich sind Charts von Minutenkerzen über Stundenkerzen, Tages- und Wochenkerzen bis hin zu Monatskerzen und gar Jahreskerzen. Wie erwähnt, handelt es sich im folgenden Chart um Tageskerzen.
Die Überlegenheit des Candlestick Charts ist offensichtlich: Dem Linienchart lassen sich lediglich die Tagesschlusskurse entnehmen, die mit einer Linie verbunden werden. Die Differenz zwischen Eröffnungs- und Schlusskurs sowie das Hoch und das Tief im Handelsverlauf bleiben verborgen. Ebenso bestimmte Signale wie der Doji und das Gap. Während der Doji eine mögliche Umkehr ankündigt, bestätigt ein Gap den vorherrschenden Trend. Einem Linienchart lassen sich solche Signale nicht entnehmen.
Ausblick
In den kommenden zwei Beiträgen zeige ich nützliche und wesentliche Muster, anhand derer sich die Candlestick Charts interpretieren lassen: Trends, Umkehrsignale, Warnsignale und Fortsetzungsmuster.
Im vierten und letzten Teil werde ich darstellen, wie sich die japanische Candlestick Chartanalyse mit der westlichen Chartanalyse kombinieren lässt und damit eine noch höhere Aussagekraft erzielt werden kann.
Sollten Ihnen die japanischen Candlesticks zum jetzigen Zeitpunkt noch Rätsel aufgeben und nur wenige Antworten bereitstellen, werden Sie am Ende dieser Reihe selbstständig Charts lesen und analysieren können.