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Candlestick Charts analysieren, Teil 2

Die kleine Beitragsreihe „Candlestick Charts analysieren“, soll den Leser in die Lage versetzen, durch eine Konzentration auf die wesentlichen Muster und Signale sog. Kerzencharts einfach und treffsicher lesen und interpretieren zu können. Im ersten Teil ging es um den Aufbau und die Begrifflichkeiten der Candlestick Charts und deren Überlegenheit gegenüber den Liniencharts. In diesem zweiten Teil schauen wir uns an, wann charttechnisch ein Trend vorliegt und welche Umkehrsignale darauf hindeuten, dass ein bestehender Trend womöglich bricht.

Trends

Der Börsenspruch: „The trend is your friend“, gehört zu den nützlichen Börsenweisheiten. Ob nun als Investor oder als Trader, es kommt darauf an, einen bestehenden Trend zu erkennen und nach diesem zu handeln. In beiden Fällen ist es erfolgreich, mit dem Trend zu handeln – nicht gegen ihn. Als Investor sollte man in die zuverlässigen, langfristigen Trends investieren. Trader sind bestrebt, von kleineren bis größeren Bewegungen innerhalb eines bestehenden Trends zu profitieren.

Mit der technischen Analyse wird zunächst die Richtung des vorliegenden Trends bestimmt und darauf aufbauend nach einem geeigneten Einstieg bzw. Ausstieg gesucht.

Was ist ein charttechnischer Trend?

  • Ein Aufwärtstrend ist gekennzeichnet von steigenden Tiefs und steigenden Hochs.
  • Ein Abwärtstrend ist geprägt von fallenden Hochs und fallenden Tiefs.
S&P 500 mit eingezeichneten Trends

Zu sehen ist ein übergeordneter Abwärtstrend vom Hoch im Dezember 2021 bis zum Tief im Oktober 2022: Die eingezeichneten Hochs „fallen“, werden also in der übergeordneten Kursbewegungen immer früher erreicht. Zudem fallen die jeweiligen Kursstände von Tief zu Tief.

Ein Fehlsignal oder ein Signal, das man als Trendbruch hätte deuten könnten, wurde im August 2022 beim Überschreiten des alten Hochs von Ende Mai erreicht. Das höhere Hoch wird durch einen grünen Pfeil markiert. Allerdings stoppte dieses Zwischenhoch an der eingezeichneten Abwärtstrendlinie (die Verbindung vorangegangener Hochs) und die Kurse setzten ihren Abwärtstrend fort, was im September mit dem Unterschreiten des vorangegangenen Tiefs vom Juni bestätigt wurde.

Innerhalb eines übergeordneten Trends bilden sich auch immer wieder untergeordnete, kurzfristige Trends aus. Ein solcher ist auf dem abgebildeten Chart des S&P 500 seit dem letzten Tief im Oktober entstanden. Hier hat sich ein kurzfristiger Aufwärtstrend etabliert: Steigendende Tiefs wechseln sich mit steigenden Hochs ab.

Der Chart ist nicht mehr aktuell. Inzwischen ist bekannt, wie es weiterging. Aber nun versetzen wir uns mal in den Zeitpunkt zurück, bis zu dem der Chart reicht. An dieser Stelle kommt es auf zwei Marken an:

– Gelingt es dem Kurs, die übergeordnete Abwärtstrendlinie zu überwinden oder prallt er wieder an dieser ab? Wenn er sie überwindet, bestehen gute Chancen für ein Ende des Abwärtstrends, er würde zumindest an Dynamik verlieren und sich abflachen.

– Überwindet der Kurs das letzte eingezeichnete Hoch bei 4330 Punkten – dann würde der Abwärtstrend technisch gebrochen werden. Technisch wäre der seit Januar 2022 bestehende Abwärtstrend beendet. Der bis dahin untergeordnete Aufwärtstrend würde zum vorherrschenden Aufwärtstrend werden. Im weiteren Verlauf müsste sich herausstellen, mit welcher Dynamik und wie lange der neu etablierte Aufwärtstrend anhalten würde.

Besteht kein klarer Trend, spricht man übrigens von einer Seitwärtsbewegung, die recht häufig vorkommt.

Diese Ausführungen über Trends machen Folgendes deutlich: Es lässt sich leider immer nur sagen, welcher Trend gerade vorherrscht, nicht jedoch, wie lange er noch bestehen und wie weit er führen wird. Allerdings ist es regelmäßig wahrscheinlicher, dass ein Trend anhält, als dass er bricht, was durch die Börsenregel: „The trend is your friend“, veranschaulicht wird. Außerdem helfen Umkehrsignale, die Gegenbewegungen innerhalb eines Trends sowie das Ende eines Trends rechtzeitig zu erkennen.

Charttechnisch gibt es Kerzenformationen, die auf eine anstehende Trendumkehr hindeuten können.

Umkehrsignale

Jede Kerzenformation sagt etwas darüber aus, wie sich die Marktteilnehmer innerhalb eines Handelstages oder während mehrerer Handelstage verhalten haben. Aus diesen Verhaltensmustern lässt sich auf Wahrscheinlichkeiten für die Zukunft schließen. Es ist nicht wichtig zu wissen, was am Markt passiert ist, daher erkläre ich das für die einzelnen Kerzenformationen nicht oder nur exemplarisch. Nützlich ist allerdings das Verständnis dafür, dass Kerzenformationen keine reinen Zufallsprodukte sind, sondern Marktverläufe darstellen, die wiederum eine Aussagekraft für den künftigen Fortgang haben.

Zunächst einmal stelle ich eine Liste wichtiger Umkehrsignale voran. Danach zeige ich in einem Chart, wie diese aussehen und wie sie sie erkannt werden können.

  • Umbrella Lines: (Mehrere) Kerzen weisen lange Schatten nach unten und kleine Körper oben auf. Nach einer Abwärtsbewegung ist das ein bullishes Signal.
  • Bearishe Schatten: (Mehrere) Kerzen zeigen lange Schatten nach oben und haben kleine Körper unten. Nach einer Aufwärtsbewegung ist das ein bearishes Signal.
  • Hammer: Langer Schatten nach unten, kleiner Körper oben (Verhältnis mind. 80:20). Starkes bullishes Signal nach einer Abwärtsbewegung, insbesondere wenn die folgende Kerze den Hammer bestätigt.
  • Hanging Man: Sieht genauso aus wie ein Hammer aus (langer Schatten nach unten, kleiner Körper oben) – jedoch ist die Kerze nach einer Aufwärtsbewegung entstanden (nicht wie beim Hammer nach einer Abwärtsbewegung)! Hier liegt ein bearishes Signal vor, insbesondere nach einer Bestätigung durch die folgende Kerze.
  • Bullish Engulfing Pattern: Der Körper einer roten Kerze wird von dem Körper der nachfolgenden grünen Kerze vollständig umschlossen – bullishes Signal.
  • Bearish Engulfing Pattern: Der Körper einer grünen Kerze wird von dem Körper der nachfolgenden roten Kerze vollständig umschlossen – bearishes Signal.
Chart mit Umkehrsignalen

Im Chart sind die Signale eingezeichnet. Zunächst kündigt ein Bearish Engulfing Pattern eine Abwärtsbewegung an. Nur kurz: Was ist passiert? Die grüne Kerze am Vortag zeigt einen steigenden Handelsverlauf an. Die Kurse schlossen höher, als sie eröffneten. Am Folgetag waren die Marktteilnehmer anfangs optimistisch. Die Kurse eröffneten sogar noch über dem Schlusskurs des Vortages! Dann ging es jedoch abwärts. Die Marktteilnehmer wurden immer pessimistischer. Am Ende des Handelstages schlossen die Kurse noch tiefer, als sie am Vortag eröffneten. Für die folgenden Handelstage ist das ein negatives Zeichen.

Der kurze Abwärtstrend bricht, zwar nicht mit einem Bullish Engulfing Pattern (weil die grüne Kerze die rote nicht umschließt), jedoch mit einem ähnlichen Signal. Der Einfachheit halber werde ich hier nicht alle Signale benennen und beschreiben, sondern mich auf die wichtigsten und aussagekräftigsten Formationen beschränken. Es genügt völlig, daran zu denken, dass nicht jede Trendumkehr mit den oben beschriebenen Signalen beginnt. Insbesondere gibt es dem Engulfing Pattern ähnliche Figuren, die zwar weniger aussagekräftig sind, aber mit denen dennoch eine Trendumkehr eingeläutet werden kann. Das sind Figuren, in denen die folgende andersfarbige Kerze die vorherige nicht vollständig umschließt, jedoch zu mehr als 50 Prozent. In solchen Fällen ist es wichtig, darauf zu warten, ob die Folgekerze die mögliche Trendumkehr bestätigt. Am Hoch habe ich eine solche Formation mit der Beschreibung: „ähnlich dem Engulfing Pattern“ gekennzeichnet.

Der Abwärtstrend, den diese Figur einleitet, wird mit einem Gap bestätigt. Zu den Gaps kommen wir noch später im dritten Teil. An dieser Stelle ist interessant, wie die Abwärtsbewegung endet. Durch vier Kerzen: Eine Umbrella Line, eine dem Bullish Engulfing Pattern ähnliche Figur und nachfolgend einen Hammer, der durch ein Bullish Engulfing Pattern bestätigt wird. Welche Farbe die Hammer-Kerze hat, ist übrigens nicht von Bedeutung! Nach dem roten Hammer folgt eine Aufwärtsbewegung – allerdings eine sehr kurze.

Am Ende dieser Aufwärtsbewegung habe ich ein Fehlsignal eingezeichnet: Das Bullish Engulfing Pattern bestätigt sich nicht. Vielmehr werden die Kerzenkörper immer kleiner (ein Warnsignal) und schließlich kippt der Kurs wieder abwärts.

Zwei Doji (auch im Plural ohne „s“) kündigen einen Trendwechsel an, der dann von einem Bullish Engulfing Pattern eingeläutet wird.

Ausblick

Im dritten Teil der Beitragsreihe werden die Warnsignale und Fortsetzungsmuster der Candlestick Charts behandelt. Die Kombination mit der westlichen Chartanalyse erfolgt im vierten Teil.