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Anleihen und Zinsen

Morgen starten die letzten beiden Handelswochen des Jahres. An den Aktienmärkten steht nach wie vor alles auf Grün: Charttechnisch ist der Aufwärtstrend ungebrochen. Die Zinsen sollten nicht weiter steigen und am maßgeblichen US-Markt am kommenden Mittwoch sogar um 25 Basispunkte gesenkt werden. Die Rohstoffpreise tendieren abwärts. Das Sentiment ist neutral. Auf den ersten Blick bewegen wir uns gerade in der besten aller Börsenwelten. Und wenn man genauer hinschaut? Die Aufwärtsbewegung an den Aktienmärkten ist nicht besonders breit, noch nicht. Es sind vereinzelte große Titel, die die Aktienindizes nach oben treiben. Viele Aktien fallen sogar. Und die Anleihen? Insbesondere die langlaufenden US-Anleihen sind erstaunlich risikobehaftet. Das liegt daran, dass die Zinsen einfach nicht fallen wollen.

Chart des TLT mit eingezeichneten Signalen ...

Der Chart zeigt die Wechselwirkung zwischen den Kursen langlaufender Anleihen und den Kapitalmarktzinsen der 10-jährigen Staatsanleihen in den USA. Der Kerzenchart stellt den TLT dar, einen sehr großen Anleihen-ETF, der in langlaufende Anleihen ab einer Restlaufzeit von 20 Jahren investiert. Der Linienchart zeichnet den Verlauf der Kapitalmarktzinsen. Steigen die Zinsen, fallen die Anleihen und fallen die Zinsen, dann steigen die Anleihen.

Wer in den letzten Jahren versuchte, mit langlaufenden Anleihen Stabilität in sein Depot zu bekommen, hat teils dramatische Verluste erlitten. Der TLT fiel von fast 180 USD im März 2020 auf unter 83 USD im Oktober 2023. Die Kapitalmarktzinsen der 10-jährigen Staatsanleihen stiegen im selben Zeitraum von rund 0,4 Prozent auf rund 5,0 Prozent. Die Überraschung für viele Marktteilnehmer: Mit dem Beginn der Zinssenkungen durch die Fed ab September dieses Jahres fingen die Kapitalmarktzinsen wieder an zu steigen, von 3,60 Prozent auf inzwischen 4,40 Prozent. Der TLT gab in diesen drei Monaten erneut 10 Prozent ab und verbilligte sich von 100 USD auf 90 USD.

Die Quintessenz aus diesen Entwicklungen: Auch Anleihen sind nicht sicher – zumindest nicht langlaufende. Wer sein Geld parken möchte, um für Investitionsgelegenheiten in Sachwerte liquide zu sein, muss zu kurzlaufenden Anleihen greifen oder zu entsprechenden ETFs. Bei sog. Kurzläufern macht sich die Wechselwirkung zwischen Zins- und Kursentwicklung nur schwach bemerkbar. Außerdem weist die Zinsentwicklung doch auf eine gewisse Gefahr am Aktienmarkt hin. Denn sinkende Kapitalmarktzinsen sind keinesfalls ausgemacht, selbst dann nicht, wenn die Fed am Mittwoch den Leitzins erneut senkt. Steigen die Zinsen weiter, werden die Marktteilnehmer am Aktienmarkt früher oder später nervös.

Bis dahin zittern sich die Aktienmärkte mit überwiegender Wahrscheinlichkeit weiter hoch, immer mit bangem Blick der Marktteilnehmer auf die Inflation, die Anleihen und die Zinsen.