Themen über Geldanlage führen heute fast unweigerlich zu ETFs samt ihrer Auswahlkriterien. Exchange Tradet Funds sind börsengehandelte Fonds, die grundsätzlich ohne aktives Management Aktienindizes und andere Indizes nachbilden. Aufgrund ihrer Transparenz, der geringen Kosten und ihrer vielfältigen Möglichkeiten haben sie sich seit ihrer Einführung in Europa im Jahr 2000 zu den vorrangigen Produkten vieler Anleger entwickelt. Zu Recht, denn mit ETFs und einfach umzusetzenden Strategien können auch Börsenneulinge erfolgreich investieren. Selbst für erfahrene Investoren, die nur wenig Zeit für ihre Investments aufwenden wollen, sind ETFs attraktiv. Sogar eine komplette Vermögensverwaltung ist mit ETFs möglich.
Häufig stehen Anleger bei der Auswahl ihrer ETFs vor einer scheinbar großen Aufgabe. Das hat unterschiedliche Gründe:
Nicht selten besteht zwar der Wunsch, das Geld kostengünstig in ETFs zu investieren – es fehlt jedoch das erforderliche Wissen: Das grundlegende Wissen über die Finanzmärkte und welche Faktoren die Kurse bewegen; sowie das spezielle Wissen über ETFs und deren Auswahlkriterien.
Manchmal resultiert die Überforderung auch aus einer mittlerweile schier endlosen Fülle von Informationen, die sich von überall her beziehen lassen: aus Büchern, Zeitschriften, Blog-Beiträgen, Youtube-Videos und vielen weiteren Quellen mehr. Weil bereits so viel erschienen ist, gehen die Beiträge immer weiter in die Tiefe. Beinahe scheint eine Wissenschaft daraus entstanden zu sein, wie ETFs bewertet werden sollen und worauf alles zu achten sei. Zu viele Informationen können allerdings erheblich verwirren und im Ergebnis sogar schaden. Insbesondere dann, wenn der Blick auf das Wesentliche verloren geht und wenn die Informationsfülle das Handeln hemmt.
Wenn ein Anleger wegen angeblich wichtiger Analysen und Vergleiche unter Tausenden von ETFs auch nur einen Monat später anfängt, einen ETF zu besparen, dann holt der vermeintlich bessere ETF diesen Rückstand womöglich nie wieder auf.
Das Entscheidende bei der Auswahl von ETFs ist, überhaupt eine Wahl zu treffen und diese nicht unnötig aufzuschieben.
Die nachfolgenden Auswahlkriterien sollen den Blick auf das Wesentliche lenken und dabei helfen, schnell und effektiv eine vorteilhafte Entscheidung zu treffen. Sie beschränken sich daher auf die grundlegenden sowie wichtigen Eigenschaften und Kennzahlen von ETFs:
Der Basiswert, das Underlying
Ein ETF bildet grundsätzlich einen bestimmten Index ab. Die wichtigste und entscheidende Arbeit bei der Auswahl eines oder mehrerer ETFs findet in der Wahl der Indizes statt, die durch die ETFs abgebildet werden sollen. ETFs gibt es für fast alle großen Anlageklassen: Für Aktien, Immobilien, Rohstoffe, Anleihen und den Geldmarkt.
ETFs auf Immobilien halten allerdings die Immobilien nicht direkt, sondern investieren in Aktiengesellschaften, die Immobilien erwerben, verwalten und veräußern, sog. REITs. Hier besteht also anders als bei Immobilieninvestments mithilfe offener oder geschlossener Fonds eine starke Korrelation zum Aktienmarkt.
Rohstoff-ETFs enthalten meistens nicht den Rohstoff selbst, sondern die Futures, was Kosten für das sog. Rollen nach sich zieht, weil die Terminkontrakte fortlaufend verlängert werden müssen. Das führt regelmäßig zu einer höheren Kostenquote. Eine bekannte Ausnahme ist der SPDR Gold Trust (GLD), der als Underlying ausschließlich Gold enthält – aber in Deutschland leider nicht handelbar ist.
Der Anleger muss sich also genau überlegen, in welche Anlageklassen er für welchen Zeitraum zu welchem Zweck investieren will, wie er innerhalb der Anlageklassen diversifizieren möchte, ob der Einstiegszeitpunkt günstig ist oder wie er sich mit Sparplänen den Cost-Average-Effekt zunutze machen kann.
Um es kurz zu machen: Bei der Auswahl des Underlyings, der Diversifikation, dem Zeitpunkt des Einstiegs und des Ausstiegs oder der Absicherung ist das gesamte Wissen und Können des Anlegers gefordert. Hier entscheidet sich, ob sein Investment erfolgreich sein wird oder nicht. Alle weiteren Auswahlkriterien für ETFs sind im Vergleich dazu bereits von stark untergeordneter Bedeutung.
In meinem Vermögens-Wegweiser habe ich Näheres zur Auswahl des Underlyings und zur Diversifikation unter „VI. Ein ETF-Business als Beispiel“ beschrieben.
Physische oder synthetische Replikation
ETFs können die Titel des Index, den sie abbilden, tatsächlich kaufen oder die Entwicklung des Index durch Finanzderivate abbilden. Hinter Finanzderivaten stehen Schuldner, häufig Banken, was ein gewisses, wenn auch durch Sicherheitsmechanismen stark reduziertes Zahlungsausfallrisiko (Kontrahentenrisiko) bedeuten kann, das bei physisch replizierenden ETFs von vornherein ausscheidet.
ETFs mit physischer Replikation sind beliebter. Die meisten Anleger wollen lieber so transparent wie möglich in ein Finanzinstrument investieren, das direkt in die Titel des Index investiert, anstatt den Index nur synthetisch nachzubilden. Dafür sind physisch replizierende ETFs oft ein wenig kostenintensiver.
Ausschüttend oder thesaurierend
ETFs können ihre Erträge, etwa die Dividenden, ausschütten oder reinvestieren. Grundsätzlich sollte der Anleger die Variante wählen, die ihm besser gefällt.
Will sich der Anleger keine Gedanken über die Verwendung der Ausschüttungen machen und sich die Kosten deren Reinvestition sparen, greift er zu thesaurierenden ETFs. Wegen der gestiegenen Zinsen fällt hier ab dem Jahr 2023 jedoch die sog. Vorabpauschale an. Jeweils zum Januar des Folgejahres ist ein fiktiver Gewinn zu versteuern. Beim tatsächlichen Verkauf wird die vorab geleistete Steuer verrechnet. Für diese Vorabpauschale greift der Sparerpauschbetrag. Wenn für das Depot kein Freistellungsauftrag vorliegt oder dieser nicht ausreicht, sollte das Konto im Januar ausreichend gedeckt sein. Notfalls kann man sich von ein paar Anteilen trennen.
Einfacher und steuerlich transparenter sind die ausschüttenden ETFs. Diese tätigen oft sogar quartalsweise Ausschüttungen, die gleich mit deren Gutschrift versteuert werden. Da die Ausschüttungen regelmäßig höher liegen als der sog. Basisertrag, fällt die Vorabpauschale dann nicht mehr an. Außerdem wird der Sparerpauschbetrag effektiver genutzt, sofern dieser noch nicht ausgeschöpft ist. Dafür fallen ggf. Kosten für die Investition der Ausschüttungen an.
Fondsdomizil
Das Fondsdomizil hat oft keine Bedeutung. Es gibt jedoch eine wichtige Ausnahme:
Anders als bei einer Investition in Einzelaktien gibt es bei ETFs keine Teilerstattung der US-Quellensteuer in Höhe von 30 Prozent. Als Kompensation wurde die sog. Teilfreistellung eingeführt – für alle ETFs, unabhängig von deren rechtlichem Sitz. Zudem besteht zwischen Irland und den USA ein besonderes Abkommen, das es den in Irland aufgelegten physischen ETFs ermöglicht, die Hälfte der in den USA einbehaltenen Quellensteuer auf Dividenden erstattet zu bekommen. Das macht sich bei einem entsprechenden Anteil von US-Werten vergleichsweise positiv in der Wertentwicklung bemerkbar.
Bei synthetischen ETFs spielt das Fondsdomizil hingegen keine Rolle, da in diesen ETFs keine Quellensteuer anfällt.
Enthält der ETF also US-Werte, sollte entweder ein synthetischer ETF gewählt werden oder ein ETF, der in Irland aufgelegt wurde: Die Wertpapieridentifikationsnummer ISIN von irischen ETFs beginnt mit „IE“.
Die TER
Die Gesamtkostenquote (Total Expense Ratio) zeigt die jährlichen Kosten, die für die Fonds entstehen: von den Kosten der Fondsgesellschaft bis hin zu den Depotbankgebühren. Die Transaktionskosten innerhalb des ETFs enthält sie zwar nicht, allerdings eignet sich die TER sehr gut dafür, die Kosten verschiedener ETFs mit dem gleichen Underlying miteinander zu vergleichen.
Die Größe des Fonds
Da manche Kosten der Fondsgesellschaft unabhängig von der Größe des ETFs anfallen, sollte der ETF eine bestimmte Mindestgröße aufweisen, um dauerhaft profitabel zu sein und langfristig bestehen zu können. Hier werden unterschiedliche Mindestgrößen empfohlen. Ich persönliche orientiere mich an einem Fondsvolumen von mindestens 250 Millionen USD bzw. EUR.
Die Fondsgesellschaft
Schließlich sollte sich der Anleger mit der ausgewählten Fondsgesellschaft wohlfühlen. Hier hilft es, sich über die Geschichte und die Marktposition der Fondsgesellschaft zu informieren oder auf ETF-Anbieter zurückzugreifen, die sich bereits lange bewährt haben.
Fazit zu den ETF-Auswahlkriterien
Auch bei der ETF-Wahl sollte nach dem Paretoprinzip vorgegangen werden. Die eigentliche Herausforderung ist es, die für das Investmentziel geeigneten Indizes zu finden und bei den Ein- und Ausstiegszeitpunkten systematisch und erfolgreich vorzugehen. Wer dann noch die weiteren hier beschriebenen Auswahlkriterien für ETFs berücksichtigt, macht alles richtig.