Börsenkurse sind kein Zufallsprodukt, sondern das Ergebnis des Handelns der Marktteilnehmer. Dabei entstehen Trends und Signale für eine mögliche Umkehr etablierter Trends. Diese Trends und Umkehrsignale werden durch Kennzahlen begleitet bzw. gestützt. Solche Kennzahlen sind z. B. die Zinsen, die Rohstoffpreise, die Volatilität und der Stand der Aktienindizes. Es gibt unzählige Kennzahlen, manche haben einen erheblichen Einfluss auf die Aktienkurse, andere einen geringeren. Kursverläufe unterliegen Wahrscheinlichkeiten. Die Aufgabe des Investors und vor allem des Traders ist es, die höheren Wahrscheinlichkeiten zu erkennen und nach diesen zu handeln.
Seit mehr als zwei Jahrzehnten führe ich am Wochenende regelmäßig eine „Wochenendroutine“ durch, in der ich die Trends von derzeit rund 20 Kennzahlen auswerte und dadurch Signale erhalte, wohin sich die Kurse mit erhöhter Wahrscheinlichkeit entwickeln könnten. In der Rubrik „Kurzer Marktüberblick“ teile ich die Ergebnisse dieser Auswertungen. Selbstverständlich sind das niemals Anlageempfehlungen, sondern lediglich Anregungen für eigene Analysen. An der Börse geht es immer nur um Wahrscheinlichkeiten. Wenn die Kurse zu 60 Prozent steigen sollten, können natürlich auch die anderen 40 Prozent eintreten.
Trotz fehlender Gewissheiten ist ein funktionierendes Handelssystem wichtig: Sobald ein Investor oder Trader überwiegend richtig liegt, stellen sich Gewinne ein.
Diesen Kerzenchart vom Leitindex S&P 500 auf der Basis von Tageskerzen (jede Kerze zeigt einen Handelstag) habe ich mit „Tradingview.com“ erstellt. Er zeigt die Baisse, also die Abwärtsbewegung seit Ende Dezember 2021.
Ein Abwärtstrend ist durch fallende Hochs und fallende Tiefs gekennzeichnet, ein Aufwärtstrend durch steigende Tiefs und steigenden Hochs. Im Chart sind die jeweiligen Hochs und Tiefs beschriftet.
Seit Dezember 2021 befindet sich der S&P 500 in einem übergeordneten Abwärtstrend, der durch eine rote Trendlinie markiert ist. Seit Oktober besteht ein untergeordneter Aufwärtstrend, dieser wird von der grünen Trendlinie angezeigt.
Der S&P 500, der die größten 500 Unternehmen der USA abbildet und wegen seiner hohen Marktkapitalisierung der wohl wichtigste Länderindex der Welt ist, wird innerhalb der nächsten zwei Wochen nun entweder aus dem Abwärtstrend nach oben ausbrechen oder den untergeordneten Aufwärtstrend wieder verlassen: Durch eine Linie muss er hindurch – und welche er durchbricht, zeigt dann die wahrscheinlichere Kursentwicklung für die nahe Zukunft an.
Auch das Überwinden des einfachen 200-Tage-Durchschnitts (SMA 200), das ist die dunkelblaue Linie, gilt als Trendbruch.
In den nächsten Tagen wird sich zeigen, ob der Ausbruch gelingt:
Gegen ein Ende der längerfristigen Abwärtsbewegung sprechen die Zinsen der 10-jährigen Staatsanleihen, die weltweit steigen, auch in den USA. Steigende Zinsen bremsen die Aktienkurse, fallende Zinsen hingegen führen oft zu steigenden Aktienkursen. Der Zinsindikator ist ein sehr starkes Signal.
Für steigende Kurse sprechen fallende Rohstoffpreise, die den Inflationsdruck dämpfen könnten und damit letztlich auch den Zinserhöhungszyklus verlangsamen könnten. Außerdem steigt der S&P 500 derzeit nicht als einziger Index, sondern fast alle Indizes zeigen einen kurzfristigen Aufwärtstrend. Manche sind sogar schon weiter als der S&P 500 und haben nach der von mir angewendeten „Quartalsmethode“ (in Anlehnung an Uwe Lang) Kaufsignale gesendet: Europäische Indizes gehören dazu, auch der Dax. Der Nikkei 225 schickt sich an, das Hoch des letzten Quartals zu überwinden und dem indischen Sensex 30 gelang das bereits im letzten Quartal.
Kurz: Der längerfristige Abwärtstrend des S&P 500 ist zwar noch intakt – aber das kann sich nun kurzfristig ändern.